Trotzdem Leben

Trotzdem Leben

Mit Leidenschaft und Herzblut lebte ich schon immer die Höhen und Tiefen meines Lebens. Ehrlich gesagt, brauchte ich keinen Schicksalsschlag um zu erkennen, wie kostbar das Leben doch ist. Das wusste ich schon vorher! Immer habe ich selbstbestimmt gelebt und mir versucht all meine kleinen Träume zu erfüllen. Neuanfänge hatte ich genug in meiner Biografie. Auch dafür benötigte ich meine Krebserkrankung gewiss nicht. Meine Suche nach dem Traummann und dem Traumberuf dauerte ein ganzes Jahrzehnt. Großzügig gab ich mir immer wieder die Chance mein Leben zu überdenken und es neu zu gestalten. Zu einer bewussteren Lebensführung konnte meine Krankheit nicht wesentlich beitragen. Keinesfalls also werde ich mich bei Gott für meinen Schicksalsschlag bedanken. Im Gegenteil, ich hatte ein wunderbares Leben, weil ich so lebte, wie ich es für richtig hielt: Sei es als alleinerziehende Mutter oder verheiratete Ehefrau, sei es als gut verdienende Grafikdesignerin oder als engagierte Grundschullehrerin.

Dann geschah es, das Schicksal warf mich aus der Bahn! Es löschte in der Blüte meines Lebens schlagartig all meine Zukunftspläne. Früher sah ich das Leben als unendliche Straße voller Abzweigungen und Türen. Jeden Tag hatte ich die Wahl, zu bleiben, zu reisen oder umzukehren, wenn ich mich verirrt hatte. Immer gab es ein Tor, das aufging und mir im Leben weiterhalf. Heute führt mein Weg in eine Einbahnstraße zu der Endstation „unheilbar“. Hier führt keine Spur zurück, hier gehen keine Türen mehr auf. Trotzdem werde ich täglich Umleitungen bauen, um neuen Lebensmut zu finden. Vielleicht gelingt es mir auch überirdische Himmelspfade oder unterirdische Gänge zu erschaffen, die mir Hoffnung schenken: Hoffnung auf ein Wunder! Ich finde, ich hätte ein Wunder verdient!

Liebe Leserin, lieber Leser, du bist mir wichtig!
Haderst du mit deinem Schicksal?
Leidest du unter dem „Un-Sinn“?
Hoffst auch du auf ein Wunder?
An meiner Seite

An meiner Seite

© Federico Marrangoni, https://www.flickr.com/photos/fedebio27/sets/, 15.04.2015

Ohne Mama geht’s nicht! Bei ihr kann ich sein wie ich bin. In jeder Rolle kennt sie mich, in jeder Rolle liebt sie mich. Sie ist es, die streckenweise für mich kämpft, für mich hofft, für mich glaubt. Nämlich dann, wenn mir die Kraft, die Hoffnung und der Glaube fehlt. Für Augenblicke gibt mir meine Mama das Gefühl, dass sie das Schicksal beschwört, ja dass sie mit ihrer ganzen Mutterliebe die Welt und damit das Schicksal dreht. Auf eine ganz selbstverständliche Weise trägt sie mich – bedingungslos.

Das ist das Geheimnis der Mütter, ihre bedingungslose Liebe. Mutterliebe ist das Stärkste, was es auf Erden gibt. Woher ich das weiß? Weil ich selbst Mutter von zwei großartigen Töchtern bin. Alles, wirklich alles, würde ich tun, sogar mein Leben geben, müsste ich sie retten. Dieses Band zwischen Mutter und Tochter besteht von Geburt an, manchmal sogar schon neun Monate vorher. Mindestens achtzehn Jahre lang umsorgt, tröstet und verteidigt die Löwenmutter ihr Junges. Wie soll dieses Band vergehen? Gar nicht!

Eine Mama braucht keine Worte oder Gesten. Es genügt ein Blick. Sie weiß, wie es dir geht und was du brauchst, oft schneller als du selbst. Die Natur hat sich das fein ausgedacht. Die beste Überlebensstrategie ist nämlich die mütterliche Intuition. Dieses tiefe Verständnis wirkt auch heilsam auf mich. Wenn ich weinen möchte, weint Mama mit mir. Wenn ich schimpfen möchte, schimpft sie mit mir. Wenn ich lachen möchte, lacht sie mit mir. Immer bestärkt sie mich auf meinem Lebensweg und glaubt an mich – unbeirrbar. Ihr Vertrauen sät in mir eine seelische Kraft, eine Widerstandskraft, die den Ärzten, Statistiken und Medikamenten überlegen ist.

Wir im Doppelpack, da müssen sich die Ärzte in Acht nehmen! Die doppelte Portion Intuition lässt sich nicht allzu leicht überzeugen, die doppelte Portion Stärke kriegt man nicht so schnell klein. Unsere Mutter-Tochter-Einheit ist eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Wenn man damit keine Chance auf Heilung hat, wann dann?

Liebe Leserin, lieber Leser, du bist mir wichtig!
Was/Wer ist dein Wegbegleiter?
Was/Wer stärkt dich?
Was/Wer hilft dir an dich zu glauben?
Der Freibrief

Der Freibrief

Erst Knall, dann Fall! Alles habe ich verloren. Es ist ungewiss, ob ich jemals in meinen Beruf zurückkehren werde. Ich bezweifle sogar, ob ich wieder zu mir selbst finden werde. Einst war ich dynamisch, autark, voller Ideen und Zukunftsträume. Jetzt raubt mir die Diagnose Stück für Stück meine Lebensenergie. So kraftlos, abhängig und zukunftslos erkenne ich mich nicht mehr. Der einzige Trost ist, dass es nicht schlimmer werden kann. Ganz unten bin ich angelangt und warte nun darauf, dass die Lebensspirale wieder nach oben steigt. Die Stimmen in meinem „Kopfkino“ raten mir: Nütze das aus! Du kannst aus der Rolle fallen und musst dich nicht einmal entschuldigen. Bei so einem miesen Schicksal ist alles erlaubt. Mein „Herzkino“ ist am Ende des Films angelangt und prahlt mit allem, was es zu bieten hat: Weltschmerz, Herzschmerz und Selbstmitleid. In den Tränenfluten wird es mir plötzlich bewusst. Jetzt oder nie! Ich hab den Freibrief erhalten, alles zu tun, was ich möchte. Keiner schaut mich in meiner Notlage schief an. Im Gegenteil, mein Umfeld dankt es mir, wenn ich mich sinnvoll beschäftige, anstatt im Tränenmeer zu ertrinken. Für jede noch so verrückte Idee bekomme ich sogar Zuspruch. Das ist der beste Moment, das zu leben, was man sich bisher nicht traute. Der Kritiker in mir – der sich für gewöhnlich so anhört: Das ist unmöglich. Das ergibt keinen Sinn. Das kannst du doch gar nicht. – hält sich erschöpft zurück und genießt seine Pause. Denn im Grunde hat er das Zweifeln endgültig satt. Seit meiner Erkrankung ergibt nämlich alles keinen Sinn mehr.

Auf diese Weise kam ich zu meinem Spaßberuf, der Schriftstellerei. In unserer Gesellschaft ist man ergebnisorientiert: Wir definieren den eigenen Wert über Geld, Macht, Luxus, Lob, Anerkennung… Es muss sich lohnen! Durch die Vernunft aber existieren wir nur, erst die Leidenschaften machen uns lebendig. Endlich bin ich frei von den Fesseln unserer Welt. Ich schreibe nur für mich, weil es mir gut tut. Das Schreiben schenkt mir Leichtigkeit. Es räumt in meiner Seele auf und schafft Platz zum Lachen und Träumen. So sehe ich klarer und gehe meinen Weg selbstbewusster. Als treuer Seelentröster bringt es mich sogar im Krankenhaus auf gute Gedanken. Somit habe ich eine Geheimwaffe gefunden, die immer funktioniert. Die einzigen Voraussetzungen sind Zeit und Muße. Für viele ist das Luxus, sie strampeln sich in ihrem Alltag ab, um ein bisschen davon für sich zu reservieren. Heute steht kein Berg vor mir, den ich noch abarbeiten muss. Im Gegenteil, ich sehe wunderschöne Täler, in denen ich wandeln kann als die Person, die mir gerade gefällt. Jeden Tag kommt ein neuer Himmel, eine weitere Chance zum Anderssein. Dieser Freibrief ist ein Stück Freiheit, die ich mir nie wieder nehmen lasse.

Liebe Leserin, lieber Leser, du bist mir wichtig!
Was ist dein Freibrief?
Welche Aktivitäten schenken dir Lebensmut?
Was ist dein Ventil, um mit deiner Trauer klar zu kommen?