Vom Reichtum zu lieben

Vom Reichtum zu lieben

Er ist immer an meiner Seite. Bin ich glücklich, traurig, wütend oder verzweifelt, er ist immer da. Bei allem Unglück ist er trotzdem der Romantiker geblieben. Wenn ich zweifle, antwortet er nur: „Bei unserer Hochzeit habe ich es versprochen, in guten wie in schlechten Zeiten.“ Dass er mich als gesunde Frau geheiratet hat, verdrängt er: Als Frau mit wunderschönem Haar. Als Frau mit Lust gemeinsam die sexuelle Welt zu erkunden. Wo ist jetzt meine Schönheit geblieben? Wo ist jetzt meine Lust geblieben? Begierde, Erotik, Zärtlichkeit, Nähe – all das fehlt mir sehr. Obwohl ich es vermisse, ist es trotzdem ganz weit weg, weit weg von mir. Mein Körpergefühl ist immer schmerzverzerrt, es hat an positiver Bedeutung verloren. In meinem Alltag kosten banale Dinge sehr viel Kraft, so dass ich abends völlig erschöpft in die Kissen falle. Ich bin einfach froh, diesen einen Tag wieder überlebt zu haben. Zärtlichkeit? Das steht ganz unten auf meiner Liste.

 

Doch die gemeinsame Vergangenheit macht uns stark. Sie hält uns zusammen. Die Kinder sind unser ganzer Stolz. Unsere Verbindung macht Sinn und was Sinn hat, besteht. Unser Zusammenhalt ist tiefer geworden, voller Respekt und Toleranz, mehr denn je. Im Herzen wissen wir, dass die gemeinsamen Tage gezählt sind, das macht sie so kostbar. Das ist sie, die wahre Liebe, kostbar, intensiv und ungeschminkt!

Ich „erschwimme“ mir meine Traumfigur

Ich „erschwimme“ mir meine Traumfigur

Ich fühle mich schwerelos. Mein Körper ist federleicht. Lautlos gleite ich durch das warme Nass. Das Schwimmen ist meine neue Leidenschaft. Endlich kann ich mich wieder auf etwas freuen! Mein Highlight des Tages ist für andere der wahre Albtraum. Im Hochsommer gehe ich freiwillig in das Kinderbecken eines Hallenbades. Der Boden darf nur so tief sein, dass ich jederzeit anhalten und verschnaufen kann, denn eine lange Sportbahn schaffen meine Lungen nicht mehr. Außerdem genieße ich die 32 Grad Wassertemperatur. So verfroren wie ich bin, komme ich nicht mal in das Sportbecken hinein. Beim letzten Schwimmbadbesuch musste meine kleine Tochter zwangsläufig das Schwimmen lernen. Ich hatte ihr nämlich die Schwimmhilfe, die sogenannte „Nudel“, gemopst, da ich damit das Rückenschwimmen entdeckte. Vor lauter Langeweile übte mein Kleine also tapfer eine Stunde lang das Schwimmen, während ich voller Begeisterung das Rückenschwimmen in allen erdenklichen Varianten erprobte. Als ich ihr schließlich die Nudel zurückgeben wollte, verkündete sie stolz: „Du kannst sie behalten. Ich kann jetzt schwimmen!“

Dieser Sport half mir die Schmerzspirale zu durchbrechen. Bisher war jeder Schritt eine Qual, so dass ich nie spazieren ging. Je stärker die Schmerzen wurden, desto mehr lag ich im Bett, was wiederum neue Verspannungen auslöste und meine Muskeln schwächte. Dazu litt ich enorm unter der Passivität, da dies keineswegs meiner Persönlichkeitsstruktur entsprach. Im Gegenteil, ich brauchte Aktivität, um mich zu entspannen.

Im Wasser fühlt sich alles leicht an, auch die Schmerzen. Ich lasse los und gleite dahin. Anschließend fühle ich mich pudelwohl in meiner Haut. Ein gutes Körpergefühl vermisste ich schon allzu lange. Das gibt es gratis dazu. Endlich beginnt mein Körper fit zu werden, mein flacher Po wird wieder rund. Los geht’s, ich „erschwimme“ mir meine Traumfigur!

Alles ist erlaubt

Alles ist erlaubt

© Federico Marrangoni, https://www.flickr.com/photos/fedebio27/sets/

Erziehung wird überbewertet! Jahrelang kämpfen wir Eltern mit einfachen Benimmregeln. Neunundneunzig Mal kauen wir den Kindern höfliches Benehmen vor in der Hoffnung, dass sie es irgendwann übernehmen, sei es auch erst ab dem hundertsten Male. Wozu? Um die Sprösslinge für das Leben vorzubereiten. Denn Freundlichkeit, Höflichkeit und gutes Benehmen, heißt es, öffnen später alle Türen.

Ganz ehrlich, niemand kann seine Kinder vor dem Leben bewahren. Das Leben geht seinen eigenen Gang. Wer weiß schon, was dem Nachwuchs in der Zukunft blüht? Mit der Diagnose „unheilbar krank“ habe ich mit sechsunddreißig Jahren den Boden unter meinen Füßen verloren. Nach einem Schicksalsschlag setzt man neue Prioritäten. Heute stecke ich meine Energie nicht mehr in Gebote oder Verbote. Mein Blick ist weitsichtiger geworden. Auf Charakterstärke kommt es im Leben an! Im größten Glück sowie Unglück muss man sein Leben selbst gestalten. Eine Überdosis an Selbstvertrauen, Geborgenheit und Liebe möchte ich in meine Töchter versenken, die sie noch Jahre lang durchs Leben trägt.

Deshalb erfand ich unsere „Spaßtage“. Abwechselnd verbringe ich mit jedem Mädchen wunderschöne Stunden, in denen ihre Wünsche im Vordergrund stehen. Als Fee erfülle ich ihre Träume. Mein Liebesvorschuss öffnet die Herzen meiner Kinder. Sie zeigen sich verständnisvoll, höflich und fürsorglich. Sie umsorgen mich, achten auf Pausen, bringen mir Getränke und Kissen. Erziehung gibt es also noch gratis dazu. Wenn man wirklich in Beziehung zu seinen Kindern geht, dann gelingt Erziehung von selbst. Im Alltag fällt das oft schwer, es findet sich keine ruhige Minute, um inne zu halten und sich aufeinander zu besinnen. Unsere „Mädelstage“ unterbrechen das anstrengende Alltagsleben, sie werden zum absoluten Highlight – für uns alle. Mir ist wichtig, dass meine Töchter den Schicksalsschlag nicht nur negativ abspeichern: „Als meine Mutter krank wurde, war meine Kindheit vorbei.“ Natürlich müssen sie Rücksicht nehmen, verzichten, helfen – eigentlich schneller erwachsen werden. Deshalb sollen sie auch Privilegien genießen. So darf meine Große zum zwölften Geburtstag zum Cro-Konzert gehen, bekommt bunte Strähnen ins Haar und ein luxuriöses Handy. Wir Mädels verbringen Wellness-Tage zusammen und lassen uns von Kopf bis Fuß verwöhnen. Die kleine Sechsjährige sitzt wie eine Königin auf dem Thron, lobt die Fußmassage und zeigt stolz ihre schön lackierten Nägel. Unser Leben ist besonders, nicht nur, weil ich krank bin. Es ist ein intensives Leben – an schlechten, aber auch an guten Tagen. Gerade weil die traurigen Stunden überwiegen, brauchen wir glückliche Stunden voller Highlights.

Die Zeit geht, das Schöne bleibt: Die von Freude erfüllten, funkelnden Kinderaugen bleiben mir ewig in Erinnerung.

Liebe Leserin, lieber Leser, du bist mir wichtig!
Was bedeutet Erziehung für dich?
Worauf kommt es dir im Leben an?
Was möchtest du deinen Kindern mitgeben?
An meiner Seite

An meiner Seite

© Federico Marrangoni, https://www.flickr.com/photos/fedebio27/sets/, 15.04.2015

Ohne Mama geht’s nicht! Bei ihr kann ich sein wie ich bin. In jeder Rolle kennt sie mich, in jeder Rolle liebt sie mich. Sie ist es, die streckenweise für mich kämpft, für mich hofft, für mich glaubt. Nämlich dann, wenn mir die Kraft, die Hoffnung und der Glaube fehlt. Für Augenblicke gibt mir meine Mama das Gefühl, dass sie das Schicksal beschwört, ja dass sie mit ihrer ganzen Mutterliebe die Welt und damit das Schicksal dreht. Auf eine ganz selbstverständliche Weise trägt sie mich – bedingungslos.

Das ist das Geheimnis der Mütter, ihre bedingungslose Liebe. Mutterliebe ist das Stärkste, was es auf Erden gibt. Woher ich das weiß? Weil ich selbst Mutter von zwei großartigen Töchtern bin. Alles, wirklich alles, würde ich tun, sogar mein Leben geben, müsste ich sie retten. Dieses Band zwischen Mutter und Tochter besteht von Geburt an, manchmal sogar schon neun Monate vorher. Mindestens achtzehn Jahre lang umsorgt, tröstet und verteidigt die Löwenmutter ihr Junges. Wie soll dieses Band vergehen? Gar nicht!

Eine Mama braucht keine Worte oder Gesten. Es genügt ein Blick. Sie weiß, wie es dir geht und was du brauchst, oft schneller als du selbst. Die Natur hat sich das fein ausgedacht. Die beste Überlebensstrategie ist nämlich die mütterliche Intuition. Dieses tiefe Verständnis wirkt auch heilsam auf mich. Wenn ich weinen möchte, weint Mama mit mir. Wenn ich schimpfen möchte, schimpft sie mit mir. Wenn ich lachen möchte, lacht sie mit mir. Immer bestärkt sie mich auf meinem Lebensweg und glaubt an mich – unbeirrbar. Ihr Vertrauen sät in mir eine seelische Kraft, eine Widerstandskraft, die den Ärzten, Statistiken und Medikamenten überlegen ist.

Wir im Doppelpack, da müssen sich die Ärzte in Acht nehmen! Die doppelte Portion Intuition lässt sich nicht allzu leicht überzeugen, die doppelte Portion Stärke kriegt man nicht so schnell klein. Unsere Mutter-Tochter-Einheit ist eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Wenn man damit keine Chance auf Heilung hat, wann dann?

Liebe Leserin, lieber Leser, du bist mir wichtig!
Was/Wer ist dein Wegbegleiter?
Was/Wer stärkt dich?
Was/Wer hilft dir an dich zu glauben?
Der Freibrief

Der Freibrief

Erst Knall, dann Fall! Alles habe ich verloren. Es ist ungewiss, ob ich jemals in meinen Beruf zurückkehren werde. Ich bezweifle sogar, ob ich wieder zu mir selbst finden werde. Einst war ich dynamisch, autark, voller Ideen und Zukunftsträume. Jetzt raubt mir die Diagnose Stück für Stück meine Lebensenergie. So kraftlos, abhängig und zukunftslos erkenne ich mich nicht mehr. Der einzige Trost ist, dass es nicht schlimmer werden kann. Ganz unten bin ich angelangt und warte nun darauf, dass die Lebensspirale wieder nach oben steigt. Die Stimmen in meinem „Kopfkino“ raten mir: Nütze das aus! Du kannst aus der Rolle fallen und musst dich nicht einmal entschuldigen. Bei so einem miesen Schicksal ist alles erlaubt. Mein „Herzkino“ ist am Ende des Films angelangt und prahlt mit allem, was es zu bieten hat: Weltschmerz, Herzschmerz und Selbstmitleid. In den Tränenfluten wird es mir plötzlich bewusst. Jetzt oder nie! Ich hab den Freibrief erhalten, alles zu tun, was ich möchte. Keiner schaut mich in meiner Notlage schief an. Im Gegenteil, mein Umfeld dankt es mir, wenn ich mich sinnvoll beschäftige, anstatt im Tränenmeer zu ertrinken. Für jede noch so verrückte Idee bekomme ich sogar Zuspruch. Das ist der beste Moment, das zu leben, was man sich bisher nicht traute. Der Kritiker in mir – der sich für gewöhnlich so anhört: Das ist unmöglich. Das ergibt keinen Sinn. Das kannst du doch gar nicht. – hält sich erschöpft zurück und genießt seine Pause. Denn im Grunde hat er das Zweifeln endgültig satt. Seit meiner Erkrankung ergibt nämlich alles keinen Sinn mehr.

Auf diese Weise kam ich zu meinem Spaßberuf, der Schriftstellerei. In unserer Gesellschaft ist man ergebnisorientiert: Wir definieren den eigenen Wert über Geld, Macht, Luxus, Lob, Anerkennung… Es muss sich lohnen! Durch die Vernunft aber existieren wir nur, erst die Leidenschaften machen uns lebendig. Endlich bin ich frei von den Fesseln unserer Welt. Ich schreibe nur für mich, weil es mir gut tut. Das Schreiben schenkt mir Leichtigkeit. Es räumt in meiner Seele auf und schafft Platz zum Lachen und Träumen. So sehe ich klarer und gehe meinen Weg selbstbewusster. Als treuer Seelentröster bringt es mich sogar im Krankenhaus auf gute Gedanken. Somit habe ich eine Geheimwaffe gefunden, die immer funktioniert. Die einzigen Voraussetzungen sind Zeit und Muße. Für viele ist das Luxus, sie strampeln sich in ihrem Alltag ab, um ein bisschen davon für sich zu reservieren. Heute steht kein Berg vor mir, den ich noch abarbeiten muss. Im Gegenteil, ich sehe wunderschöne Täler, in denen ich wandeln kann als die Person, die mir gerade gefällt. Jeden Tag kommt ein neuer Himmel, eine weitere Chance zum Anderssein. Dieser Freibrief ist ein Stück Freiheit, die ich mir nie wieder nehmen lasse.

Liebe Leserin, lieber Leser, du bist mir wichtig!
Was ist dein Freibrief?
Welche Aktivitäten schenken dir Lebensmut?
Was ist dein Ventil, um mit deiner Trauer klar zu kommen?