Ein Schicksalsschlag bringt alles zum Einstürzen. Das eigene Lebenshaus muss von Grund auf renoviert werden. Auf allen Stockwerken befinden sich Baustellen, so auch im Schlafzimmer die Baustelle Ehe. Durch die allumfassende Unsicherheit, die eine schwere Erkrankung auslöst, wächst das Grundbedürfnis nach einer engeren Verbindung zum Partner. Letztendlich hofft man durch das geteilte Leid mehr zusammenzuwachsen.
Doch der Schein trügt. Im Vordergrund steht die Trauer um die verloren geglaubte Zweisamkeit. Wir erfreuen uns nicht mehr an gemeinsamen Zukunftsplänen. Sein Leben geht weiter, meines nicht. Auf einmal haben wir verschiedene Lebensthemen. Während er in seine Träume investiert, muss ich damit klar kommen, meine Träume verloren zu haben. Gemeinsame Aktivitäten werden seltener, denn mein körperlicher Zustand erlaubt keine langen Ausflüge mehr. Auch unsere Abende werden eintöniger. Unsere erotische Verbindung ist passé. Mein eigener Körper hängt schlapp in den Seilen, ist mir durch die aggressive Chemo- und Strahlentherapie fremd geworden. Existiert unter all diesen Verlusten überhaupt noch ein Wir?
Mein Mann bemüht sich sehr mich zu umsorgen. In meiner Wahrnehmung unterstützt er damit leider meine Wandlung zu einer hilfebedürftigen Kranken. Die tragische Wahrheit aber ist, dass mir niemand helfen kann, mein Schicksal zu tragen, auch nicht mein Partner. Nur ich selbst kann mir helfen. Aus diesem Grund muss ich bei mir bleiben, anstatt in einem Wir zu verschmelzen. Im ersten Moment tut die Erkenntnis weh, dass wir uns voneinander lösen müssen. Erst im zweiten Moment wird unsere Chance sichtbar. In dem Bewusstsein, dass es ist, wie es ist, können wir unsere Verschiedenheit annehmen, anstatt um die verschwundene Zweisamkeit zu trauern.
Wir wagen also einen Neustart und begegnen uns als Fremde in einem frisch renovierten Haus. Durch das Loslassen haben wir ein Stück Freiheit gewonnen. Unser Paarleben ist jetzt frei von Altlasten, Erwartungen und Enttäuschungen. Die neu gewonnene Energie stärkt mich. Ich spüre, wie ich mich mit meiner innewohnenden, heilenden Kraft verbinden kann. Und was unsere Partnerschaft betrifft, bewirkt schon allein der Mut zum Loslassen, dass wir an Nähe gewinnen. Nun haben wir ein gemeinsames Ziel, uns als Paar wieder zu finden.
That saves me. Thanks for being so sensibel!
Dear Juvane,
thanks for reading! Greetings, Julia